Lektionen in Menschlichkeit

Für Judy und Jim

Manchmal beginnt etwas so leise, dass man es erst bemerkt, wenn es längst ein Teil von einem geworden ist. Ein Blick, der berührt, eine Bewegung, die vertraut wirkt – und plötzlich hat sich etwas in unserem Leben eingenistet, ohne anzuklopfen.

Ich habe gelernt, dass alles so viel Seele trägt, wie ich ihm gebe. Ein Stein, der warm in meiner Hand liegt, kann zu einem treuen Begleiter werden, wenn ich ihn so sehe. Erst recht ein Tier, dessen Blick mir mehr sagt als Worte je könnten. Vielleicht ist es das, was bleibt: nicht der Ort, an den etwas geht, wenn es fort ist – sondern die Bedeutung, die es in mir hinterlässt.

Wer das nur auf Reiz und Reaktion reduziert, übersieht, dass Bedeutung nicht im Versuchslabor gemessen wird – sondern im Herzen wächst.

Tiere praktizieren, was uns Menschen oft so schwerfällt: Loyalität ohne Kompromisse, stille Diskretion, bedingungslose Liebe und eine fast grenzenlose Toleranz. Sie bringen uns dazu, innezuhalten – einfach, weil ihr Blick einen Moment lang alles andere unwichtig macht. Sie sind nachweislich Balsam für Herz und Körper, verlängern Leben, ohne davon ein Wort zu verlieren. Und sie lehren uns Dinge, die in dieser Klarheit in keinem Buch stehen: Vergebung, Loyalität, Verbindung ohne Worte. Und, dass Essen ein Fest sein kann – jeden einzelnen Tag. Wenn sie gehen, tut es weh, so wie es weh tut, wenn ein Mensch geht. Weil es nicht um „nur ein Tier“ geht, sondern um ein Stück gelebtes Leben.

Man merkt es zuerst an den kleinen Lücken. Da, wo sonst Bewegung war, ist Luft. Geräusche fehlen, ohne dass man sie sofort benennen kann, und der Alltag stolpert kurz, bevor er sich weiterdreht.

Irgendwann ist der Platz leer. Die gewohnte Bewegung im Augenwinkel bleibt aus, und der Raum klingt anders. Die Hand greift wie von selbst ins Leere, als müsste da etwas sein, das immer da war. Man merkt, wie viel vom eigenen Leben in diesen beiläufigen Momenten lag – und dass man sie nicht zurückholen kann.

Am Ende bleibt Dankbarkeit für alles, was ich lernen durfte, ein Verlust, der mich leiser macht, und Liebe, die bleibt. Und gerade deshalb erzähle ich es an einem Tier – weil in seinem stillen Wesen alles steckt, was Worte nur schwer fassen, und in einer Reinheit, die uns auf paradoxe Weise lehrt, was wir uns angewöhnt haben, „menschlich“ zu nennen.

---

Veröffentlichungen Beratung Kontaktoptionen Startseite

---

Link kopieren Via E‑Mail teilen

---